Von neuem und altem Geschirr
Ich habe mich in den vergangenen Wochen mal wieder mit der technischen Seite der Fotografie – also der Kamera selbst – beschäftigt, denn ich tausche meine Kameras gern regelmäßig ca. alle 2 Jahre aus. Dieser Zyklus ermöglicht es mir, die „alte“ Technik zu verkaufen, solange sie am Markt noch einen anständigen Preis erzielt, und so für einen magenfreundlichen Aufpreis auf aktuelle Technik zu wechseln.
Meine letzte größere Umstellung war im Juni 2020, als ich von Fujifilm zu Canon gewechselt bin. Zuerst hatte ich die EOS R und dann ab Mai 2021 die EOS R6. Vor ein paar Wochen ist nun die EOS R6 Mark II erschienen und dementsprechend war es höchste Zeit, die R6 auf den Gebrauchtmarkt zu werfen, denn wenn erst ein Nachfolger erschienen ist, purzeln in der Regel die Preise, weil viele Anwender upgraden und ihre vorhandenen Kameras anbieten.
DER REGELMÄSSIGE BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
Dieses Mal habe ich wieder mal ein bisschen weiter über den Tellerrand geschaut und auch einen Wechsel zu einem anderen Hersteller in Betracht gezogen. Zwar bin ich mit etlichen Objektiven recht gut in das Canon-Universum investiert, aber aus reiner Neugier hätte mich dennoch zu einem Wechsel hinreißen lassen. Zudem gibt es einige Aspekte von Canon als Unternehmen, die ich wenig attraktiv finde, allen voran die kürzlich bekannt gegebene Entscheidung, den RF-Mount für Dritthersteller zu sperren und damit die Entwicklung von Objektiven durch andere Anbieter zu unterbinden. Das wirkt auf mich wie überflüssiges und nimmersattes Platzhirsch-Gehabe, das Canon mit einem Marktanteil von annähernd 50% eigentlich gar nicht nötig hätte.
WAS SONST?
Welche Alternativen gibt’s denn? Nikon ist mittlerweile mit seinem Z-System gut auf dem spiegellosen Markt etabliert und auch Fuji hat einige spannende neue Modelle auf den Markt gebracht. Nicht nur im APS-C-Bereich, sondern mit dem GFX-System auch im Mittelformat. Sony ist für mich keine Option, denn irgendwie mag ich die Kameras nicht. Technisch sind sie zweifellos bahnbrechend und beeindruckend, aber Bilder aus Sony-Kameras wirken auf mich oft überperfekt und klinisch rein, damit aber eben auch leblos und wenig organisch.
So habe ich mir in den vergangenen Wochen die Nikon Z7 angesehen und ich hatte die neue Fuji X-H2 hier. Diese Kameras habe ich einigermaßen ausgiebig getestet, bin aber nach einiger Überlegung doch wieder bei Canon gelandet. Und dies waren die Gründe.
NIKON
Die Nikon Z7 hat mir äußerlich und haptisch wirklich gut gefallen. Das Gehäuse ist schön kompakt, liegt aber trotzdem sehr gut in meiner Hand. Alle Knöpfe und Bedienelemente sind an der richtigen Stelle. Das Menü wirkt aber ein bisschen aus der Zeit gefallen und auch der Bildschirm ist wenig flexibel und eigentlich nicht mehr zeitgemäß – ebenso die halbherzig gemachte Touchbedienung. Am meisten ernüchtert hat mich jedoch die Tatsache, dass ich bereits nach dem ersten Test – im Haus wohlgemerkt – einen fetten Fremdkörper auf dem Sensor hatte, der auf den Bildern auch zu sehen war. Der Z-Mount ist sehr groß und der Sensor liegt ungeschützt direkt dahinter und wirkt offenbar wie ein großer Staubmagnet. Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn man bei Wind und Wetter mal das Objektiv wechselt. Zwar gibt es von der Z7 auch schon die zweite Version, aber die habe ich mir erspart.
FUJIFILM
Die Fuji hat mich direkt an die „gute alte Zeit“ erinnert, die ich über einige Jahre mit Fuji hatte, bevor mich das Fujiversum irgendwie langweilte und ich neidisch auf einige Funktionen bei Canon schielte. Ich habe mich auf dem System gleich wieder heimisch gefühlt und hatte gleichzeitig ein bisschen „mehr in der Hand“, denn die X-H* Serie hat ein deutlich größeres und griffigeres Gehäuse als die X-T*, die ich so gewohnt war und die ich immer als zu klein empfand.
Die X-H2 kommt mit einem nagelneuen 40-MP-Sensor, was im Crop-Format ziemlich beachtlich ist. Da die Megapixelzahl ja immer noch das Marketing-Argument schlechthin ist, war ich insbesondere auf dieses Modell sehr neugierig. Der Sensor macht durchaus eine gute Figur, braucht aber auch spezielles Glas, um die Auflösung bestmöglich auszunutzen. Das bedeutet leider, dass nicht alle der tollen Linsen, die Fuji teils schon seit etlichen Jahren im Lineup hat, dafür auch taugen. Stattdessen gibt es eine Liste mit Objektiven, die für den neuen Sensor besonders gut geeignet sein sollen. Interessante Randnotiz: Das mit der X-H2 angebotene 16-80mm Kit-Objektiv steht nicht auf dieser Liste..
40 MP auf APS-C bedeuten sehr kleine Pixel bzw. sehr hohe Pixeldichte, was klassisch mit erhöhtem Rauschen bei wenig Licht / hoher ISO einhergeht. Da ich gerne Sterne fotografiere, ist die Low-Light-Performance für mich durchaus sehr wichtig und hier lag dann leider auch der Pferdefuß: Wie befürchtet, fällt der Sensor im Dunklen sichtbar ab und die Bilder kommen stark verrauscht aus der Kamera. Zwar lässt sich das in Lightroom oder anderer spezieller Entrauschungs-Software einigermaßen herausrechnen, aber gerade bei Astrofotos geht das stark zulasten der Details.
EIN KLARES UND ENTSCHIEDENES VIELLEICHT
So waren also weder Nikon noch Fuji für mich als alleiniges System tauglich. Zudem hätten mir – Platzhirschgehabe hin oder her – durchaus einige Funktionen gefehlt, die Canon als Alleinstellungsmerkmal hat. Einige sind gravierend, wie z.B. die Jalousie, die den Sensor bei ausgeschalteter Kamera vor Staub schützt. Andere sind eher klein aber fein, wie z.B. die Möglichkeit, Langzeitbelichtungen einfach über den Touchscreen und zu starten und dank mitlaufendem Timer auch punktgenau mit einem einfachen Tipp wieder zu beenden. Bei anderen Herstellern muss man hierfür immer einen Fernauslöser anstöpseln.
Und dann ist da noch die Objektivauswahl. Canon RF hat mittlerweile ein recht beachtliches Programm an Linsen, die jedoch teils sehr hochpreisig sind. Das ist bei den anderen Herstellern – insbesondere bei Nikon – auch so, aber da gibt’s wenigstens die Option auf Dritthersteller wie Sigma oder Tamron. Was mir aber echt gefehlt hätte, wäre mein geliebtes RF 100-400mm, das – gerade mal ein Stück größer als eine Holsten-Halbliterdose – zu meinem am häufigsten genutzten Objektiv geworden ist, weil ich mittlerweile überwiegend im Telebereich fotografiere und Weitwinkel fast gar nicht mehr stattfindet Wollte ich das bei Nikon nachbilden, wäre ich einiges schwerer und auch deutlich teurer unterwegs.
ALSO DOCH WIEDER CANON, ABER…
Nach diesen ganzen Überlegungen und Abwägungen reifte der Entschluss, doch bei Canon zu bleiben und mir zusätzlich wieder eine ältere Fuji X-T3 zu kaufen – quasi als Reminiszenz und Spaßkamera neben dem Arbeitspferd. Also genau die Kamera, die ich 2020 verkauft hatte. Diese habe ich für einen sehr sportlichen Preis in Topzustand auf einem Forums-Marktplatz gekauft und bin damit superhappy, denn der 26-MP-Sensor der 2018 auf den Markt gekommenen X-T3 muss sich auch heute ganz und gar nicht verstecken. Tatsächlich gibt es Vergleichs-Videos bei YouTube, in denen sich zeigt, dass dieser ältere Sensor schärfere und bessere Bilder produziert, als der neue 40-MP-Sensor in der X-H2 und X-T5 – und das zu einem Viertel des Preises.
MEGAPIXEL SIND LÄNGST NICHT ALLES
Und damit sind wir dann auch gleich bei der nächsten Erkenntnis: Nämlich, dass Megapixel als Hauptkriterium für einen Sensor langsam aber sicher ausgedient haben. Vor dieser Entscheidung stand ich tatsächlich auch, als ich mich endlich entschieden hatte, bei Canon zu bleiben: Welches Modell als Nächstes? Die über 2 Jahre alte R5 mit ihren 45 Megapixeln oder die brandneue R6 Mark II mit 24 MP?
Canon EOS R6 Mark II
Reflexartig greift der Landschaftsfotograf von Welt natürlich zum Flaggschiff, aber ich habe die R5 getestet und fand die Bilder nicht wirklich besser als die aus der R6 (noch mit 20 MP wohlgemerkt). Dafür sind die Dateien doppelt so groß (ca. 60 MB pro RAW-Datei gegenüber ca. 30 MB aus der R6). Es bleibt also einzig das Argument der besseren Beschnittfähigkeit von höher aufgelösten Dateien, aber das ist für mich, der ich kaum Wildlife fotografiere, nicht relevant. Jedenfalls war mir dieser Aspekt allein nicht über €1.000 Aufpreis wert, zumal ich die R5 auch ergonomisch der R6 unterlegen fand. Es gibt sicher Szenarien, in denen die R5 ihre absolute Berechtigung hat, aber in denen sehe ich mich nicht.
Und so habe ich mich nach viel Hin und Her letztlich für die R6 Mark II entschieden, die statt des für mich wenig sinnvollen Schulterdisplays der R5 einen dedizierten Moduswahlschalter hat und zudem noch – oh Wunder – den Ein-Aus-Schalter auf der rechten Seite. Die erste Canon, die man also einhändig anschalten kann. Wenn das nix ist!
Nun aber genug geschwafelt, danke für’s Lesen!